Autobiografie mit Fotos  

Teil 10

                                                             Wie wir Russland verließen

Am 25. Januar 2001 erhielten wir die Erlaubnis, zur dauerhaften Niederlassung nach Niedersachsen (Deutschland) zu kommen.

Am 13. Oktober 2001 fuhren wir mit dem Zug nach Moskau. Ich erinnere mich gut an die dunklen, schlecht beleuchteten Straßen, den leichten Regen und Schnee, die Gesichter der Freunde, die uns in Nischni Nowgorod verabschiedeten.

Am 17. Oktober um 10 Uhr verließen wir den Weißrussischen Bahnhof (Moskau) in Richtung Berlin. Dort wurden wir von unseren deutschen Freunden Sabine und Dieter Fall empfangen. Am Nachmittag gingen wir zur Hauptpost, die dieser Tage vom ersten Stock bis unters Dach mit „Liebesbriefen“ in vielen Sprachen bedeckt war. Wir lesen auf Englisch, Deutsch und Russisch. Die Briefe sind unterschiedlich: Kinderbriefe, Briefe einer Großmutter an ihren Enkel, einer Tochter an ihren Vater...

 

Am 20. Oktober 2001 kamen wir im Durchgangslager Hesepe (nahe der Kleinstadt Bramsche) für Flüchtlinge jüdischer Herkunft an, wo wir wohnen sollten, bis wir eine Wohnung gefunden hatten. Wir bekamen ein großes Zimmer, in dem außer uns noch zwei weitere Familien untergebracht waren. Wir bekamen dreimal am Tag Verpflegung und erhielten pro Person und Tag 5 Mark für kleinere Ausgaben. Es war sehr wenig, da wir uns eine Unterkunft suchen mussten. Bei der Einreise nach Deutschland besaßen wir lediglich 1.000 Deutsche Mark, davon war nach zwei Wochen fast nichts mehr übrig. Wir hatten kein Geld für einen Makler. Bei der Wohnungssuche halfen uns unsere deutschen Freunde aus Münster, die Mitte der 90er Jahre in Nischni Nowgorod als Deutschlehrer arbeiteten. Sie schalteten eine Anzeige in der Regionalzeitung für eine nette Familie aus Russland, einen Fotografen und eine Lehrerin, die eine Wohnung in Osnabrück suchten.

Mehrere Leute sagten sofort zu und die Wohnung in der K. Straße wurde zu unserem Zuhause.

Das Haus, in dem wir leben. Im Erdgeschoss befindet sich eine Bäckerei.

 

Ich erzähle Ihnen von der Stadt, in der wir ein neues Leben begannen. Osnabrück ist der Geburtsort von Erich Maria Remarque, den ich sehr liebe. Mein erstes Buch von Remarque war sein Roman „Drei Kameraden“. Sie blieb für den Rest meines Lebens bei mir. 

Im Erich-Maria Remarque-Friedenszentrum. Osnabrück 2005 

 

Stadtstheater. Osnabrück 2004 

 

Der bekannteste Künstler Osnabrücks ist Felix Nussbaum. Er wurde 1904 hier geboren, aber studierte und lebte in Berlin. Er floh vor den Nazis, wurde jedoch in Brüssel gefangen genommen und 1944 in Auschwitz ermordet. 

Im Kunstmuseum der Stadt, dem Felix-Nussbaum-Museum. Osnabrück 2004 

 

Im Kunstmuseum der Stadt, dem Felix-Nussbaum-Museum. Osnabrück 2004 

 

Im Kunstmuseum der Stadt, dem Felix-Nussbaum-Museum. Osnabrück 2004 

 

Eine kleine katholische Kirche, die „Kleine Kirche“ genannt wird. 

"Kleine Kirche" in der mitte von Osnabrück 2005

 

Das Friedensfest, das Steckenpferdreiten, fand erstmals am 22. Oktober 1948 anlässlich des 300. Jahrestages des Westfälischen Friedens statt, der den blutigen 30-jährigen Krieg in Europa beendete, der in Osnabrück und Münster zu Ende ging. Seit 1953 reiten jedes Jahr am 25. Oktober, dem Tag der Friedenserklärung, Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse in Osnabrück auf Holzpferden zum Rathaus. In den Anfangsjahren nahmen nur Jungen daran teil.

 

Kinder auf Holzpferden in der Nähe der St.-Johannis-Kirche. Osnabrück 2004 

 

Gardisten führen den Kinderzug zum Rathaus an. Osnabrück 2004 

 

Denkmal für politische Gefangene totalitärer Regime. Osnabrück 2005 

 

Fragment des Denkmals für politische Gefangene totalitärer Regime: "Den Opfern für Wahrheit und Freiheit". Osnabrück 2025 

 

Das Weihnachtsfest ist das wichtigste Fest im christlichen Europa.

Weihnachtsmarkt mit 5 Meter großem Nussknacker auf dem Platz vor der katholischen Kirche St. Peter (DOM). Osnabrück 2004 

 

Lesovik auf dem Weihnachtsmarkt. Osnabrück 2004 

 

Der berühmte Pudel, Wahrzeichen der Stadt, vor dem DOM. Osnabrück 2003 

 

Kaiser Friedrich Barbarossa gewidmeter Brunnen auf dem Platz des Westfälischen Friedens. Osnabrück 2005 

 

Im Mai starteten unsere ersten sechsmonatigen Deutschkurse. Der Unterricht fand fünfmal wöchentlich von 8 bis 14 Uhr mit einer halbstündigen Mittagspause statt. Wir lernten Deutsch und zu dieser Zeit tobte in Russland der zweite Tschetschenienkrieg. Am 23. Oktober 2002 nahmen Terroristen Zuschauer des Musicals „Nord-Ost“ im Moskauer Theaterzentrum Dubrowka gefangen. All dies ging durch uns hindurch, wir konnten nicht anders, als Mitgefühl für unsere Bekannten und Freunde und im Allgemeinen für die Menschen zu empfinden, die in Russland geblieben waren. Aber wir waren hier und ich dankte dem Schicksal dafür. 


Im November erhielten wir die Zertifikate über die Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 (elementare Sprachkenntnisse). 

Im Juli 2003 schenkten uns Sabine und Dieter Fahl unseren ersten voll ausgestatteten Computer, nicht neu (1998), aber voll funktionsfähig. 

Im Dezember 2002 luden uns unsere Berliner Freunde Sabine und Dieter Fahl ein, gemeinsam Silvester 2003 auf der Insel Hiddensee zu feiern. 

 

Auf der Insel Hiddensee 2002 

 

Die Insel Hiddensee mit weniger als 1.000 Einwohnern liegt im Nordosten Deutschlands in der Ostsee. In Deutschland wird dieser Teil des Meeres als Ostsee bezeichnet. Die Insel ist recht klein, nur 17 Kilometer lang. Autos sind auf der Insel verboten. Die einzige Ausnahme kann ein Krankenwagen sein. Ein Traum von Grüner! Deshalb sind wir die ganze Zeit zu Fuß gegangen. Am zweiten Tag meines Aufenthalts auf der Insel bemerkte ich, dass mein Finger geschwollen war. Es war Samstag und über das Wochenende war kein einziger Arzt auf der Insel. Sabine und ihre Freunden rieten mir, ein Kaliumpermanganatbad für meinen Finger zu machen, aber niemand riet mir, den Ehering von diesem Finger abzunehmen. Der pochende Schmerz in meinem Finger hielt mich fast die ganze Nacht wach und am Morgen war mein Finger so geschwollen, dass ich den Ring nicht abnehmen konnte. Erst am Montag gingen wir ans andere Ende der Insel, um einen Arzt aufzusuchen. Ein alter Arzt, der hier zu DDR-Zeiten praktizierte, diagnostizierte bei ihm ein Panaritium subunguale (Nagelbettentzündung). Er schnitt den Ring durch, verabreichte eine örtliche Betäubung, die jedoch nicht wirkte, und riss die Nagelplatte von diesem Finger. Es war sehr schmerzhaft. Die restliche Zeit auf der Insel lief ich mit einem großen Mullverband am Finger herum.

 

Auf der Insel Hiddensee 2002 

 

Auf der Insel Hiddensee 2002 

 

Im Jahr 2003 lernte ich Beatrice le Coutre-Bick kennen. Ich kam zu meinem Freund, der im Remarque-Friedenszentrum arbeitete, um ihm ein Foto, sein Porträt zu geben. Durch Zufall kam in diesem Moment Beatrice herein, die Leiterin des Friedenszentrums. Nachdem sie sich meine Fotos angesehen hatte, schlug Beatrice vor, meine Arbeit dem Bibliotheksdirektor, Dr. Bergmann, zu zeigen. Einige Tage später besprachen wir mit ihm den Termin meiner Ausstellung zum Thema „Altgläubige“ in der Stadtbibliothek. Am 27. November 2003 eröffnete meine erste Ausstellung nach meiner Auswanderung nach Deutschland. 

 

Beatrice bei der Eröffnung der neuen Kinderbibliothek in Osnabrück am 2. Oktober 2004

 

Im Jahr 2004 organisierte Beatrice le Coutre-Bick meine Ausstellung zum Thema „Altgläubige in Russland“ im Lew Kopelew Forum in Köln

 

Eröffnung meiner Ausstellung am 18. Januar 2004 im Lew Kopelew Forum in Köln.
Foto: Ibo Minssen

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